AUF DIE ZUKUNFT GEFASST SEIN, DIE REALITÄT LEBEN

Wir bitten um Aufmerksamkeit:

Stellt euch vor, eines morgens aufzuwachen und anstatt des üblichen Kaffes Polizeibeamte vorzufinden, welche euch mittels eines Verhaftungsbefehls anschuldigen, eine gefährliche Revolutionärin zu sein und Mitglied einer bewaffneten Gruppe zu sein, von welcher ihr schon in der Zeitung gelesen habt. Und dann verhaften sie euch. Sie bringen euch mit Gewalt raus und schmeissen euch in eine Isolationszelle rein. Stellt euch vor, dass sie euch tags darauf nicht mit dutzenden unnötigen Entschuldigungen freilassen, sondern dass sie euch in eine Hochsicherheitszelle verfrachten.

Stellt euch eures Foto in den Zeitungen und TV vor, mit dem Begleittext "Terroristin" daneben.
Stellt euch vor, wie ihr in den nächsten Tagen versucht zu verstehen, was euch wohl in diesen Albtraum geführt hat.
Stellt euch die Entdeckung vor:

Stellt euch vor, wie die Polizei jemanden sucht, der/die verantortlich sein soll für den Bekenneranruf, der bei Zeitungen eingegangen ist nach der Beschädigung der Rolläden von zwei Büros der DS (Democratici di Sinistra), die im Jahr 1999, demselben Jahr der Bombardements auf Serbien und Kosovo, Regierungspartei war.

Stellt euch vor, dass die Polizei vermutet, dass diese Telefonate aus beliebigen Telefonkabinen aus gemacht worden sind - alle sind möglich und müssen abgeklärt werden. Stellt euch vor, dass jede dieser Kabinen während der kritischen Zeit von verschiedensten Personen benützt worden ist.

Stell dir vor, dass du unter diesen Personen die einzige bist, die politisch aktiv ist und dass diese deine Leidenschaft Zeichen setzt in deinem Leben. Stellt euch vor, dass diese Zeichen unvermittelt die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich ziehen wie ein Licht im Untersuchungsdickicht.

Jetzt wisst ihr, wieso sie euch verhaftet haben.

Wir bitten um eure Aufmerksamkeit, denn dies hier ist kein Science-fiction-Film, sondern dies ist tatsächlich einer fünfundzwanzigjährigen Frau, Roberta, am 16. Juli 2001 in Rom geschehen. Aber dasselbe könnte vielen von uns widerfahren.

Vielleicht passiert es schon vielen von uns.

Denn es kommt vor, dass die Leidenschaft, Politik zu machen und das eigene Leben einzusetzen für eine andere Welt, die allen gehören soll - dass das im gutbürgerlichen Italien des Jahres 2001 ein Indiz für Schuldhaftigkeit ist.

Denn seit Monaten versuchen die Regierenden, zusammen mit den Mass-media ein Klima des Terrors rund um die Demonstrationen zu schaffen, welche in Genua stattfinden sollten, und auf diese Weise sollte jeglicher Ausdruck und jegliches Zeichen der eigenen Wut gegen die Reichen und Mächtigen der Erde als eine extreme Wahl erscheinen, jedenfalls weit weg von der Tragweite aller..

Denn es ist geschehen, dass die Ordnungskräfte in Genua jede und jeden massakrierten, die/der demonstrierte, sie haben einen jungen, dreiundzwanzigjährigen Mann erschossen und sie folterten in den Polizeistationen.

Denn es kommt vor, dass, wer immer sich bewegt und ihrem/seinem Widerspruch gegenüber ökonomischen-, kulturellen-, politischen- und sozialen Entscheidungen unserer Regierungen Ausdruck und Volumen verleiht, dass eine Frau oder ein Mann somit riskiert, sich in einer solchen rechtslosen Lage zu befinden und in Gefahr gerät.

Denn es geschieht in Italien, dass, auch nach fünf Jahren Mitte-links-Regierung, immer noch eine Sonderrechtsgesetzgebung existiert, die sich in der willkürlichen Gewalt der Mächtigen gegenüber jeglichem Konfliktherd ausdrückt; eine Gesetzgebung, welche es der Polizei erlaubt, ohne irgendeine Vollmacht eines Richters Hausdurchsuchungen zu vollziehen, eine Gesetzgebung, in welcher feststeht, dass in Bezug auf politische Konflikte zwischen einer diskutierbaren Tat und den verhängten Strafen ein krasses Missverhältnis herrscht.

Denn das, was Roberta zugestossen ist, ist uns allen passiert.

Denn Roberta hat die Wahl getroffen, mit Frauen Politik zu machen, seit Jahren ist sie aktiv mit uns zusammen in einem Frauensebstverteidigungskurs gegen sexuelle Gewalt, und mit uns war sie jedesmal, wenn wir es für opportun und wichtig hielten, auf den Plätzen und auf den Strassen, um zu demonstrieren. Denn Roberta teilt mit uns die Leidenschaft einer aktiven und sichtbaren Politik; eine politische Leidenschaft ist keine Straftat. Wenn sie es werden sollte, wären wir alle schuldig, aber wir werden uns niemals denen unterwerfen noch ergeben, die uns instrumentalisieren wollen für ihren Terror, wenn sie auf das Schweigen und die Resignation von allen zählen.

Dies hier ist ein Aufruf zur Aktion.

Schreibt Briefe, zeigt eure Solidarität, macht Vorschläge für Ideen und/oder Aktionen, unterschreibt diesen Appell.

Roberta ist nicht alleine.

per adesioni e info: robertafrei@freenet.de